sarva-bhūtastham ātmānam / sarva-bhūtāni ca-āatmani
iksate yogayukta-ātmā / sarva-tra sama-darśanah
Durch die Yogapraxis erkennt der Yogi das göttliche Selbst in allen Wesen zu allen Zeiten.
—Bhagavad Gita VI.29
Dieser Shloka aus der Bhagavad Gita fordert uns dazu auf, über die allgegenwärtige Göttlichkeit, die heilige Natur aller Lebewesen, zu reflektieren. Die Idee von „allen Lebewesen“ mag etwas schwer greifbar sein, und für viele von uns vielleicht nicht zu verstehen. Es ist ein überwältigendes Konzept! Wie können wir das alles durchblicken? Ein Weg ist, bei den Lebewesen anzufangen, die wir kennen und lieben, denen wir nah sind – unsere Freunde, Familie und tierische Gefährten. Dann können wir vielleicht diesen göttlichen Kreis erst auf unser nahes Umfeld und dann darüber hinaus ausweiten.
Die Bhagavad Gita lehrt, dass göttliche Wesen überall um uns herum existieren – in Form von Elfen und anderen Naturwesen. Aber dann stellt sich die Frage, gehört ein Baum auch dazu? Oder das Meer? Und wenn wir davon ausgehen, dass Menschen dazu gehören, was macht eine Person zu einer Person? Steve Wise, ein Anwalt aus New York, hat die Frage des Personseins untersucht und kam zu dem Schluss, dass die Empfindung eine große Rolle dabei spielt, was eine Person zu einer Person macht. Er gründete die Bewegung Nonhuman Rights Project, mit welcher er und sein Team von juristischen Sachverständigen sich dafür einsetzen, dass Schimpansen (mit dem Plan, dies auf andere Tiere zu erweitern) gesetzlich als Personen mit dementsprechenden Grundrechten erklärt werden. Das Kernargument ist, dass Schimpansen die Fähigkeit zur Selbstreflektion besitzen und Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wahrnehmen und verstehen, und es demzufolge eine Verletzung ihres Rechts auf Freiheit sei, sie in Käfigen unter menschlicher Gewalt gefangen zu halten. Mit anderen Worten sind Schimpansen auch Personen und sollten dieselben Persönlichkeitsrechte gewährt bekommen, welche menschliche Personen genießen.
Mit ihrem Buch „Cats and Dogs are People Too!“ leistete Sharon Gannon Pionierarbeit für die ‚Nichtmenschen’-Rechte. In ihrem Buch thematisiert Sharon unsere meist unbewusste Einstellung gegenüber unseren tierischen Begleitern, welche die Tiere als weniger wichtige oder minderwertigere Familienmitglieder als die menschlichen einstuft.
Gesellschaftsrecht und Kultur haben sehr unterschiedliche Perspektiven auf das Konzept Persönlichkeit. Gesellschaftsrechtlich genießen in den meisten freien Demokratien, Firmen wie Coca Cola oder McDonalds Persönlichkeitsrechte. Firmen (welche erklärtermaßen primär existieren um Geld zu machen) haben in dieser verkehrten Welt also tatsächlich mehr Rechte als Schimpansen, Elefanten, oder Delfine.
Der Whanganui Fluss in Neuseeland ist für die einheimischen Menschen heilig und hat von der Regierung deswegen Persönlichkeitsstatus erlangt; das heißt, er wird vor Umweltverschmutzung und Veränderung geschützt. In Indien wurde dem heiligen Buch der Sikh-Religion, Guru Granth Sahib, Persönlichkeitsstatus von der Regierung zugesprochen und es wird dementsprechend geschützt.
Wenn wir unsere Sichtweite darüber erweitern, wer oder was eine ‚Person’ ist, erweitern wir auch unsere Fähigkeit für Mitgefühl. Der Shloka in der Bhagavad Gita lädt uns genau dazu ein, uns daran zu erinnern, dass eine Ameise eine Person ist genauso wie ein Vogel oder ein Mensch. Gleichzeitig zeigt sie uns auch den Weg, wie wir uns daran erinnern können: durch die Yogapraxis. Die Yoga Techniken werden uns helfen, das Göttliche in allen ‚Personen’ zu sehen.
Die Philosophin Mary Midgley hat ihr Leben der Forschung von Beziehungen zwischen Menschen und Tieren gewidmet. Mary ist nun pensionierte Universitätsprofessorin (97 Jahre alt!), schrieb aber umfangreich über Tierrechte und vor allem das Thema Persönlichkeitsstatus. Mary nimmt an, dass wir unsere Fähigkeit für Mitgefühl auf alle Wesen erweitern werden, wenn wir damit beginnen, die Unterschiede unserer eigenen Fähigkeiten und die anderer Wesen zu respektieren und zu ehren. „Die Welt, in der der Turmfalke seine Kreise zieht, die Welt, die er sieht, ist und wird immer gänzlich jenseits von uns sein. Die Tatsache, dass solche Welten um uns herum existieren ist ein essentieller Teil unserer Welt.“, schrieb Mary.
Als Yogis sind wir glücklicherweise mit einer Methode vertraut, mit der wir in die Welt des Falken eintreten können. Durch die Asanapraxis werden wir zum Adler, zur Schlange und zur Kuh. Wir werden der Baum und der Berg. Durch die Praxis verkörpern wir diese Person, die diese heiligen Wesen sind, und finden mehr Einklang mit ihnen. Wir erweitern unsere eigenen Erfahrungen des Seins und es mag sein, dass wir beginnen, das göttliche Selbst in allen Wesen zu erkennen. Die Asanapraxis ist also ein Werkzeug zur Erleuchtung – der Erkenntnis, dass wir alle Eins sind.
Wie Sharon sagte: „Wir sind alle zusammen hier. Das alles sind wir zusammen.“
— Katie Manitsas
Copyright Deutsche Übersetzung: Jivamukti Berlin GmbH. Der Englische Originaltext findet sich unter https://jivamuktiyoga.com/focus/what-person-world-which-kestrel-moves
Translation by – Jivamukti Berlin GmbH Team