gopala gopala devakinandana gopala
Kind Krishnas, Sohn des Devaki, Freund der Kühe
Gopal, oder Gopala, ist ein Name für das Kind Krishna. Gopala bedeutet “Kuhhirte”—go bedeutet “Kuh,” pala bedeutet “Beschützer.” Für die Hindus wird die Kuh als Symbol für die Erde angesehen: sie gibt und gibt, selbstlos, und will nur sehr wenig als Gegenleistung; die Kuh lebt sanft und anmutig, und gleichzeitig mit Stärke und Würde. „Go“ kann auch „Sinne“ bedeuten. Wenn sich das Göttliche entscheidet, eine menschliche Verkörperung anzunehmen, kommt es manchmal als König, als religiöser Führer oder als eine andere machtvolle Figur auf die Welt. In diesem Fall jedoch kam es als gewöhnlicher Kuhhirte, dessen Aufgabe es war, das zu beschützen, was wirklich wichtig ist. Anders als in den westlichen Religionen bietet Gopal seinen Verehrern eher die Möglichkeit einer Beziehung zu Gott als kindliche Figur an, um das man sich kümmern und das man nähren muss, als einer elterlichen Figur.
Krishna war ein lebhaftes und schelmisches Kind. Viele seiner Heldentaten werden in Kapitel 10 der Srimad Bhagavatam erzählt, einer alten Schrift auf Sanskrit, die sich hauptsächlich auf die Hingabe an Gott konzentriert (bhakti). Als Gopal gerade drei Monate alt war, trat er gegen einen Fuhrwagen, der bis zum Rand mit Gegenständen gefüllt war, zerbrach diesen und verursachte somit einen riesigen Krach, nur um sich die Aufmerksamkeit seiner Mutter zu erheischen. Als Junge liebte er es, seine Hirtenfreunde durch die Imitation von Bienen, von Papageien, von Kuckucks, Schwänen und anderen Tieren sowie indem er wie ein Pfau tanzte zum Lachen zu bringen. Gopal konnte auch sehr frech sein, besonders gegenüber den Kuhhirten-Mädchen (Gopis), die alle wie verrückt in ihn verliebt waren. Einmal folgte er den Gopis zu einem Fluss, wo diese sich badeten und in der Hoffnung, ihn sich als ihren jeweiligen Ehemann sichern zu können, Gebete sprachen. Und sobald diese nackt im Wasser waren, stahl er ihre Kleidung und kletterte mit dieser auf einen Baum. Er rief dann zu den Gopis herunter und ärgerte sie gnadenlos, obwohl diese im Wasser vor Kälte zitterten und sie sich schämten. Als sie das Wasser verließen, um ihre Kleidung wiederzuerlangen, ließ er die Mädchen auch noch ihre Hände über den Kopf halten, so dass sie diese nicht benutzen konnten, um wenigstens ein bisschen Privatsphäre zu haben. Danach jedoch, berührt von ihrer Hingabe, gestand Gopal einer jeden zu, eine Nacht mit ihr zu verbringen, und die Mädchen waren begeistert.
Einer der bekanntesten und sinnbildlichsten Streiche von Baby-Krishna war das Stehlen von Butter. Er war unnachgiebig, und wenn es keine Butter zu stehlen gab, wurde er wütend. Er stapelte Töpfe auf Stühle, damit er dorthin hinaufklettern konnte, wo die Erwachsenen die Butter versteckt hielten, und er lief sogar zu den Häusern der Nachbarn, um deren Butter zu stehlen und zerbrach deren Butterbehältnisse, worüber sich die Nachbarn beschwerten. Einmal, als Gopal den Zubereitungstopf seiner Mutter zerbrach, um zu der Butter zu gelangen, die sie versteckt hielt, versuchte seine Mutter, ihn festzubinden, aber das Seil war zwei Fingerbreiten zu kurz. Sie lief nach unten, um ein weiteres Seil zu holen und dieses an das erste anzuknüpfen, aber selbst das so kombinierte Seil war wieder zwei Fingerbreiten zu kurz. Nachdem die Mutter diesen Vorgang mehrfach mit dem selben Ergebnis wiederholt hatte, sah Gopal, dass seine Mutter erschöpft war und schwitzte, so dass er nachgab und ihr erlaubte, ihn festzubinden.
Gopals Streiche sind dabei keine bloß scherzhaften Possen; sie lehren uns etwas über uns selbst und Gott. Die Geschichten sind Allegorien – sie sollen nicht wörtlich genommen werden, sondern enthüllen uns tiefere spirituelle Lehren. Butter zum Beispiel symbolisiert Einfachheit (Muttermilch), bedingungslose Liebe (vom Körper gebildet, um die eigenen Nachkommen zu nähren) und disziplinierte Praxis (die Arbeit der Butterherstellung). Zu jener Zeit haben die Gopis Butter, die eigentlich gar kein knappes Gut war, kommodifiziert, also künstlich verknappt, indem sie sie in Gläser abfüllten, sie zählten, horteten und als ihr Eigentum betrachteten. Denn zu akzeptieren, dass Butter frei verfügbar ist, hätte für die Gopis bedeutet, diesen Aspekt der allgemein vorherrschenden Kultur (dass der Mensch fast alles auf dieser Welt als für ihn frei verfügbar betrachtet) zu unterstützen und hätte die Liebe und Reinheit, welche Butter für sie repräsentiert, gewissermaßen verunreinigt durch diese Beziehung, die durch eine bloße Bewirtungskultur im Zusammenhang mit Butter entstünde. Gopal wollte die Reinheit der Liebe bewahren, unangetastet von Verlangen oder Anhaftung der Gopis oder sogar seiner Mutter, also folgte er seiner Vorstellung von Liebe dadurch, dass er die Butter stahl. Krishnas Zeitvertreib in seiner Kindheit stellt auch die Natur göttlicher Liebe bildlich dar, die reines Mitgefühl ist. Obwohl einige seiner Streiche als gemein betrachtet werden können (stehlen und ärgern), hat Krishna gleichzeitig immer gefühlt, was die Opfer seiner Streiche fühlten — in erster Linie Hingabe an ihn — und so gibt er am Ende nach und gibt den Gopis und seiner Mutter, was sie wollen. Während Krishna also das ganze Universum beherrscht, wird er am Ende von denen beherrscht, die sich ihm hingeben.
Yogische Praktiken geben uns die Möglichkeit, in die Natur Gopals einzutauchen, wie Gopal zu werden. Gopal akzeptiert die Fürsorge seiner Mutter und der anderen Erwachsenen um ihn herum, aber er entflieht seiner Kindheit, ohne sich durch die Akzeptanz der Fürsorge der Mutter begrenzen zu lassen — er lebt sein Leben nach seinen eigenen Bestimmungen, was normale Menschen in der Regel nicht können. Wie Sharon Gannon aber lehrt, können wir durch Yoga die Fähigkeit entwickeln, unsere derzeitigen Gesellschaftsstrukturen zu enttarnen und zu verändern. Wenn wir Asanas, Meditation, Reinigungsübungen, die Yamas, die Niyamas, etc. praktizieren, sehen wir uns selbst und die Welt um uns herum aus einer anderen Perspektive; wir schaffen überall in unseren Körpern Raum, und in diesem Raum entdecken wir, wer wir wirklich sind und was die Natur von Realität ist. Dieses Bewusstsein ermöglicht es uns, zu sehen, in welcher Art und Weise uns die Gesellschaft begrenzt und klein hält. Und mit dieser Erkenntnis befähigen wir uns selbst, ein Leben jenseits von Gesellschaftsstrukturen zu führen, wie Gopal. Vielleicht können wir sogar die Zeit als moderne Analogie zu der Butter der Gopis sehen (die in der heutigen industrialisierten, die Tiere ausbeutenden Zeit leider kaum mehr als ein Symbol von Einfachheit, bedingungsloser Liebe und disziplinierter Praxis angesehen werden kann). Unsere Gesellschaft hat Zeit zu einem Wirtschaftsgut gemacht und bietet keine gesellschaftlich anerkannten Möglichkeiten an, der Zeit zu entfliehen. Meditation und andere Yoga Praktiken sind jedoch genau das: sie bieten eine Möglichkeit, die Zeit zu stoppen – zu stehlen – und uns mit der Ewigkeit zu verbinden.
Die Asanapraxis kann als stilisierte Form von Krishnas Verspieltheit angesehen werden — wir imitieren Tiere und bewegen unsere Körper auf eine Art, wie es Menschen normalerweise nicht tun. Zudem versuchen wir in der Asanapraxis oft, uns zu „anzubinden“ indem wir anstreben oder uns bemühen, ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen. Wir bleiben dabei, wieder und wieder, Jahr über Jahr, und sehen immer wieder, wie wir unser Ziel verfehlen. Irgendwann jedoch, lassen wir vielleicht los und werden weich zu uns. Und dann werden wir wie Gopal, der seiner Mutter nachgibt und ihr erlaubt, ihn anzubinden. Mit Mitgefühl ist alles möglich. Wenn wir uns selbst so sehr lieben, dass wir uns selbst so akzeptieren können, wie wir sind, dann lösen sich alle unsere Grenzen auf. Und die Yoga Praktiken von Japa und Kirtan – den Namen Gottes singen – sind direkte Möglichkeiten, Zugang zu Gott zu erlangen. Sanskrit ist eine Klangsprache, wenn wir also ein Wort auf Sanskrit anstimmen, berufen wir uns nicht nur auf die Bedeutung des Wortes, sondern erfahren die Bedeutung des Wortes auf der Ebene der Vibration, auf allen Ebenen – physisch, energetisch, mental, emotional und spirituell — auch wenn wir eigentlich gar nicht wissen, was das Wort bedeutet. Wenn wir den Namen Gopals singen, sehen wir die Welt durch Gopals Augen.
Die vielleicht dramatischste Anekdote über Gopal ist diese: Als er ein Kind war und auf dem Schoß lag seiner Mutter saß, gähnte er. Und als dann seine Mutter zu ihm herunter sah, sah sie das ganze Universum in seinem Mund. Wir sind nicht, was wir zu sein scheinen; wir haben alle das gesamte Universum in uns. Die Yogapraxis öffnet eine Tür zu unserem Inneren, und Gopal dient uns als Ermutigung und Inspiration, durch diese Tür hindurch zu gehen.
— Gopal (Paul) Steinberg
Translation by – Jivamukti Berlin GmbH Team