“Um König Sibis Charakter auf die Probe zustellen, nahm Indra die Gestalt eines Falken an.
Der Falke verfolgte eine Taube um sie zu töten.Die Taube flog zu König Sibi und bat ihn um Zuflucht vor dem Verfolger. Der König war überwältigt von Mitgefühl und sagte ihr Schutz zu.
Als der Falke eintraf, forderte er, dass der Königdie Taube herausgäbe, da sie seine natürliche Nahrung sei und er ohne sie verhungern würde. Der König erklärte, er habe der Taube bereits Zuflucht gewährt und habe nicht vor, sie auszuhändigen. Daraufhin antwortete der Falke, der König habe ihm stattdessen das entsprechende Gewicht seines eigenenFleisches zu geben.
Der König legte die Taube in die eine Waagschale, schnitt sich ein Stück aus seinem Oberschenkel und legte es in die andere Schale. Zu seiner Überraschung war die Taube viel schwerer. So fuhr er fort, sich Stück um Stück aus dem Bein zu schneiden, aber jedes Mal, wenn er sie der Waagschale zufügte, wurde die Taube schwerer. Schließlich trat er in die Schale, um anstelle der Taube seinen ganzen Körper darzubieten. Da offenbarte sich der Falke als Indra und heilte König Sibi mit den Worten: «Dein Ruhm wird bis zum Ende der Welt fortdauern.»” Mahabarata, Aranya parva, adhyayas 130-131
Stephen King sagte, «Es gibt Bücher, die grossartig geschrieben sind, ohne dabei sehr gute Geschichten zu erzählen.»
Literatur, Filme, Fernsehen oder Comics haben keinen Bestand ohne eine gute Geschichte. Grossartige Bücher, wie die Bibel oder der Koran, handeln von Geschichten, an die wir uns das ganze Leben erinnern können. Was macht eine gute Geschichte aus? Eine gute Geschichte ist eine, an die wir uns erinnern. Erinnerungsfähigkeit ist die wahre Bewährungsprobe einer Geschichte. Eine gute Geschichte verbindet universelle Belange mit persönlicher Befindlichkeit. Eine gute Geschichte weitet persönliche Erfahrung auf universelle Dimensionen aus.
Geschichten und das Erzählen von Geschichten sind integrale Bestandteile von Yoga-Wissen. Geschichten von Göttern, Dämonen, Menschen und allen anderen Tieren füllen die logischen Schriften und Überlieferungen. Diese Geschichten malen ein lebhaftes Bild über die Leben von Weisen, Heiligen, Yogis und Suchenden.
- Svetketus Vater war ein bedeutender Weiser, der seinen Sohn über die Natur des Universums als unsichtbare und alles durchströmende Essenz unterrichtete. «Das ist Wirklichkeit. Das ist Atman. Thou Art That – Du Bist Es.» Svetketu bat seinen Vater mehr zu erklären. Sein Vater wies ihn an einen Klumpen Salz in ein Wasserglas zu legen und am nächsten Morgen wiederzukommen. Als Svetketu am nächsten Tag wieder kam, bat sein Vater ihn das Salz aus dem Wasser zu nehmen. Svetketu konnte das Salz im Wasser nicht sehen, da es sich aufgelöst hatte. Sein Vater sagte ihm, er solle das Wasser probieren und ihm sagen wie er es finde. Svetketu antwortete, das Wasser sei ohne Zweifel salzig. Sein Vater wies ihn nochmal an, nach dem Salz zu suchen. Svetketu konnte das Salz nicht sehen, er konnte es bloß schmecken. Daraufhin erzählte ihm sein Vater, dass das unsichtbare und subtile Wesen des ganzen Universums nicht gesehen werden könne, aber es dennoch anwesend/wahrhaftig sei, gleich dem unsichtbaren Salz im Wasser. «Das ist Wirklichkeit. Das ist Wahrheit. Du Bist Es.» – Aus der Chandogya Upanishad
Arundhati Roy schrieb, «Das Geheimnis der Großen Geschichten ist, dass sie keine Geheimnisse haben. Die Großen Geschichten sind die, die du gehört hast und nochmal hören willst. Es sind die, die dir von überall Zugang gewähren und sich bequem vereinnahmen lassen. In diesen Großen Geschichten weißt du, wer lebt, werstirbt, wer Liebe findet und wer nicht. Und trotzdem willst du alles nochmal wissen.»
- In einer sehr kalten Nacht flog ein Kolibri heim und sah unter sich die Menschen, aneinander gedrängt um die Kälte fernzuhalten. Die armen Menschen hatten keine Federn, die sie warm hielten! Der Kolibri war voller Mitgefühl und entschlossen etwas dafür/dagegen zu tun. Er flog hinab und fragte die Menschen «Warum habt ihr kein Feuer, das euch warm hält?» Die Menschen antworteten «Wir befürchten, wenn wir versuchen, welches von derSonne zu nehmen, würde es uns verbrennen.» «Hmmmmmm,» summte der Kolibri. «Ich kann welches von der Sonne holen. Ich bin sehr schnell.» (Das stimmt, Kolibris sind sehr erfahren in Ausweichmanövern!) Die Menschen warnten den Kolibri, dass die Sonne auch ihn verbrennen würde, falls er versuche, etwas des Feuers zu holen. Der Kolibri flog davon um eine Portion geruhsamen Schlaf zu haben, da er beschlossen hatte den Menschen Feuerzu bringen. Früh am nächsten Morgen fing der Kolibri an. Er flog geradewegs hoch in den Himmel. Der Kolibri flog hoch, hoch und hoch, höher und höher. Bald war er in der Nähe der Sonne, die den kleinen Vogel sah, lachte und eine Feuerzunge warf, um ihn zu grillen. Der kleine Vogel war fast verbrannt, schaffte es aber auf die Rückseite der Sonne, schnappte sich ein Feuerstück und klemmte es unter sein Kinn. Er flog hinab, hinab, hinab. Der kleine Vogel war erschöpft als er den Menschen das Feuer übergab. Alter Kojote war der Häuptling der Menschen und er sagte, «Danke für dieses Geschenk. Wo sollen wir das Feuer aufbewahren?» Die anderen menschlichen Geschöpfe sagten, «Wir werden das Feuern bewachen und niemals ausgehen lassen.» Alter Kojote schüttelte seinen Kopf, «Nein. Ihr werdet es ausgehen lassen. Ihr werdet müde werden und einschlafen. Was wenn es regnet? Wir müssen das Feuer sicher verwahren.» Alter Kojote nahm das Feuer und schob es in einen nahen ehernen Baum. Die Menschen hatten Angst, «Was hast du gemacht? Wir haben jetzt das Feuer verloren.» Alter Kojote lächelteund sagte, «Das Feuer ist im Baum wann immer ihr es braucht. Reibt einfach mit einem weichen Holz gegen das harte Holz und das Feuer wird herauskommen. Ihr werdet nie mehr frieren.» Bis heute haben viele Kolibris eine rote Stelle unterhalb ihres Schnabels wo ihr Anverwandter die Feuergabe für die Menschen trug. Und das ist alles. – Aus der First Nations Tradition.
Copyright der Deutschen Übersetzung: Jivamukti Yoga Berlin GmbH. Die Englische Originalfassung findet sich unter https://jivamuktiyoga.com/teachings/focus-of-the-month/p/storytelling
Translation by – Jivamukti Berlin GmbH Team