Wenn wir es bewusst wollen, können wir wesentliche Veränderungen in unserem Leben vornehmen und die Welt zu einem besseren, nachhaltigeren Ort machen. Die Ergebnisse dieser Bemühungen können entweder sofort, einige Zeit später oder überhaupt nicht sichtbar werden. Aus diesem Grund kann es frustrierend sein, keine Veränderungen zu sehen und viele von uns hören womöglich auf, uns weiter zu bemühen. In Wirklichkeit verändern sich die Dinge ständig. Doch manchmal können wir diese Veränderungen kurzfristig nicht erkennen.
Ein Blumensamen muss viele Wandlungen vollziehen, bevor er als Blüte seine volle Schönheit entfaltet. Das ungeschulte Auge nimmt diese Transformationen nicht wahr. Unser Intellekt erkennt, dass die Blume für ihr Wachstum aufeinanderfolgende Prozesse durchlebt haben muss – aber wir sind uns dieser Schritte nicht bewusst, wenn sie stattfinden. Die Dauer dieser Etappen variiert von Blume zu Blume. Jeder bedeutende Übergang bedarf kleinerer Anpassungen, um erfolgreich abgeschlossen zu werden.
Als Yogapraktizierende sehen wir manchmal weder einen körperlichen noch einen spirituellen Fortschritt. Wir schlussfolgern, dass die Praxis nicht wirkt und die Versuchung ist groß, aufzugeben. Die geringste Variation, die sich in der kleinsten Zeiteinheit abspielt – Kshana – trägt wesentlich zu einer vollkommenen Erneuerung bei. Kleinere Veränderungen schützen uns psychisch und körperlich während des Verwandlungsprozesses und bereiten uns auf diesen vor. In den meisten Fällen würden uns abrupte Veränderungen ängstigen oder schockieren. Stell dir vor, du gingest eines Abends als Teenager zu Bett und würdest am nächsten Morgen als Erwachsener mit lauter Falten aufwachen. Wäre das nicht ein schreckliches Erwachen?
In Kapitel 11 der Bhagavad Gita wird beschrieben, wie Krishna zweifelt, Arjuna sein wahres Wesen zu enthüllen. Bei einem Versuch in der Vergangenheit war Arjuna noch nicht gänzlich bereit gewesen, „alles“, was Krishna verkörpert, aufzunehmen. Daher bat er ihn, zu seiner „menschlichen“ Form zurückzukehren. Wir könnten sagen, dass eine entscheidende Veränderung dann sichtbar wird, wenn wir die Fähigkeit und Stärke besitzen, mit ihr umzugehen. Wir werden in unserer Yogapraxis einen Unterschied wahrnehmen, wenn unser Körper und Geist die dazu erforderliche Stabilität und Balance erlangt hat. Und ja, das kann lange dauern, aber genau diese Zeit brauchen wir, um für das, was im gegenwärtigen Augenblick geschieht, ein größeres Bewusstsein zu entwickeln. Wenn wir erkennen, wie aus einer Sache eine andere hervorgeht und wie jede:r und alles in diesem Universum zusammenhängt, realisieren wir Yoga. Was bedeutet Veränderung? Der Yogaphilosophie zufolge ist etwas unendlich, wenn seine Essenz vom Wandel unberührt bleibt. Shri Brahmananda Sarasvati beschreibt in „The Textbook of Yoga Psychology“, dass die Kernelemente des gesamten materiellen Universums Elektronen, Protonen und Neutronen sind. Sie sind unveränderlich. Was sich vielmehr verändert, ist ihre Reihenfolge und Anordnung, wodurch wir verschiedene Formen und Fakten sehen. Wann immer wir Variationen in der Wirkung sehen, hat sich in der Reihenfolge und Anordnung der Elemente etwas geändert.
Der erhaltende Gott Vishnu nahm verschiedene Formen (Avatare) an, um die Welt zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu retten. Eine seiner Inkarnationen ist Krishna, der seinerseits verschiedene Gestalten verkörpert, etwa den von den Gopis geliebten schelmischen Jungen Gopala und den Freund und Berater von Arjuna, dem er seine wahre Essenz offenbart: Gott, Brahman, die Liebe selbst. Wir erleben im Laufe unseres Lebens mehrere Veränderungen, um spezifische Rollen und Aufgaben zu erfüllen: Wir sind Kinder, Schüler:innen, Expert:innen, Eltern, Freund:innen und manchmal all diese Rollen auf einmal. Jede Gestalt erfordert zur Verfeinerung weitere Veränderungen oder dauert länger als eine andere. Dabei kann sie sogar ihre Eigenschaften verändern, während ihre Essenz gleich bleibt. Veränderung ist allgegenwärtig und ist entweder langsam oder schnell, sichtbar oder unsichtbar.
Wie können wir bewusst etwas ändern, das allen zugute kommt? Wie können wir es vermeiden, aufzugeben, wenn wir nicht unmittelbar Ergebnisse sehen? Jedem Wort und jeder Handlung liegen als Essenz Gedanken zugrunde. Indem wir unsere Gedanken beobachten, können wir unsere Gedankenmuster enttarnen. Um die Veränderung voranzutreiben, die wir uns wünschen, müssen wir unsere Gedanken ändern und unsere Verhaltensweisen entsprechend anpassen. Sobald sich unsere Verhaltensweisen wandeln, passt sich alles Weitere ebenfalls an. Patanjali zufolge kreieren wir durch eine gleichmäßige, gewissenhafte, disziplinierte und ununterbrochene Praxis über einen längeren Zeitraum die richtigen Bedingungen, um unsere Gedanken zu „kontrollieren“. Wir sollten geduldig sein und Vertrauen haben: Wenn die richtige Zeit gekommen ist, werden sich kleinere zugrundeliegende Veränderungen als signifikante Transformation manifestieren.
Denn vergiss nicht, dass die Zeit auf unserer Seite steht.