Tanz der Gegensätze – (German)

by Huma Jalil |
June, 2025

PYS 2.33

~ Translation by Manorama

„Du musst erst runter, um hochzukommen!“ – das sagten Sharon und David oft. Die vielen Stunden des direkten Lernens, gemeinsam mit anderen Menschen auf verschiedenen Kontinenten und zu bedeutenden Etappen meines Lebens, sind in meinem Körper als kostbare, lebendige Erinnerung gespeichert. Ich schätze besonders, wie unsere Lehrer:innen uns immer wieder dazu einladen, tiefer zu blicken – unter die Oberfläche, jenseits gängiger gesellschaftlicher Vorstellungen. Wie sie uns ermutigen, durch Beziehung zu lernen: durch unsere wechselseitige Abhängigkeit, unsere Verbundenheit, durch das uralte Wissen in uns, dass wir zur Erde gehören. Als Spezies sind wir mit Vorstellungskraft, Bewusstsein, Mitgefühl und Weisheit gesegnet – wir haben die Kraft, von Grund auf neu zu bauen. Wir können das Unkraut ausgraben, den faulenden Kompost entfernen, der den Boden vergiftet, und ihn durch Samen von Mitgefühl, Vergebung und Liebe ersetzen. Unsere Lehrer:innen laden uns ein, zur Wurzel zu gehen, radikal und großzügig zu sein, uns zu dehnen und tief zu gehen. Diese Ausrichtung der Aufmerksamkeit gilt nicht nur für ūrḍhva dhanurāsana, śīrṣāsana oder tāḍāsana – sondern auch für Lebenssituationen, in denen es hilfreich ist, von der Erde zu lernen: von Verfall und Fruchtbarkeit, von Wurzeln und Myzel. Können wir im Geist der Gegenseitigkeit stehen – empfangend und gebend – so wie ein Baum oder ein Berg steht, während wir einatmen und ausatmen? Die Erfahrung des Außergewöhnlichen im Alltäglichen, das Auseinanderfallen und Wiederzusammenfinden – all das ist in jedem Moment gegenwärtig, wenn wir nur bereit sind, es wahrzunehmen. Wenn wir lernen, aus unseren Schwierigkeiten Gold zu schöpfen, kann unser Schmerz zu Mitgefühl werden – und wir beginnen, uns selbst in anderen zu erkennen und andere in uns. Um Sharon Gannon zu zitieren: „Wenn das Andere sich auflöst, dann entsteht Yoga.“

Steh nicht einfach nur da, sondern erde dich: Verbinde dich durch deine Füße, Hände, Schultern oder den Kopf – was auch immer den Boden berührt – mit der Erde. Lass daraus eine Art Siegel entstehen, das Stabilität und Kraft in der Architektur von Körper und Geist erzeugt. Diese innere Ausrichtung lädt uns dazu ein, mit ganzem Herzen bei der Sache zu sein – sei es in der Ausführung einer Asana oder in jeder Beziehung, die wir gerade pflegen und verfeinern. Anstatt nur an der Oberfläche zu bleiben oder für einen Moment in einer spektakulären „Pose“ zu verharren, können wir durch Übung Standhaftigkeit entwickeln und in der herausfordernden Kunst des Gleichgewichts zentriert bleiben. Wir können uns selbst und andere durch schwierige Zeiten hindurch aufrecht halten. Auch im Fall liegt eine Lehre verborgen. Yoga fordert uns auf, uns mit dem Leben zu verbinden, das bereits um uns herum existiert – im Hier und Jetzt präsent zu sein. Nicht dem Leiden und der Anstrengung zu entkommen, sondern das Feuer zu erleben – und die aufsteigende Kraft der Hitze zu nutzen, um uns aus Enge und Überforderung zu erheben: Von Sorge hin zu Vertrauen, von Wut zu Vergebung, vom Opferbewusstsein zur Selbstermächtigung. Heraustreten aus einer Haltung des Mangels hin zu Fülle und Dankbarkeit. Es beginnt bei uns.

Diese Praxis kultiviert Beziehungen, die auf gegenseitigem Nutzen beruhen – in denen wir nicht mehr nehmen als wir brauchen und gleichzeitig dort geben, wo wir können. Die Welt um uns herum ist ein ständiges Werden und Vergehen: Flüsse fließen ins Meer, das Meer wird zu Wolken, Wolken zu Teetassen – Ausdehnung und Zusammenziehen, Pulsieren, Vibrieren, Verdichten. Alles ist miteinander verwoben. Es muss ein Miteinander-Sein geben. Verbindung erzeugt Energie, macht sie kreativ und kraftvoll – dort, wo iḍā und piṅgalā (Mond- und Sonnenkanal) sich kreuzen, wo unsere Hände sich vor dem Herzen berühren, wo Materie auf Geist trifft. Wenn wir diese Vereinigung von Geist und Herz, Körper und Atem erfahren, kann uns der Tanz zwischen Gegensätzen Einsicht schenken in die Nicht-Getrenntheit aller Erscheinungen. Gegensätze bedingen einander. Während des Singens, in der Meditation oder der Asanapraxis erleben Übende etwas Größeres als sich selbst – eine Weite von Herz und Geist, ein Erinnern an ihre göttliche Natur, eine Verbindung mit der Unendlichkeit, von der sie niemals wirklich getrennt waren. Am Ende werden Quelle und Wahrnehmende:r eins. Yoga lehrt uns, wie wir unseren physischen und spirituellen Kern stärken können, damit wir – wenn das Leben uns in gegensätzliche Richtungen zieht, uns Entscheidungen abverlangt oder Prüfungen stellt – hinein- und hinauszoomen können: in unsere Menschlichkeit und unsere Göttlichkeit, in unsere Resilienz und Kreativität.

Polarität ist, laut Collins Dictionary, „der Zustand, zwei entgegengesetzte Tendenzen oder Meinungen zu haben oder auszudrücken“ – sie ist in der Natur und in allem Leben gegenwärtig. Auch Menschen tragen Ekstase und Schmerz, Ausdehnung und Zusammenziehen in sich. Die ersten Formen der Kommunikation zwischen einem Säugling und seiner Mutter bestehen aus Schreien und Jauchzen – Zeichen von Unwohlsein und Freude. Diese Ur-Kommunikation sichert das Überleben des Kindes. In uns Menschen wohnen die Gegensätze von Schönheit und Grausamkeit. Unsere Gedanken und Handlungen entspringen entweder Liebe oder Angst. In der Fülle und Vielfalt der Natur habe ich entdeckt, dass keine zwei Brombeeren am gleichen Strauch genau gleich sind. Es sind die unterschiedlichen Texturen und Nuancen im Geschmack, die jede für sich köstlich, interessant und echt machen. Die großartige Maschinerie der Natur ist grenzenlos und vielfältig. Menschen sind das ebenso. Kreativität und Genialität entspringen nicht dem Gleichen. Anders zu sein, einzigartig, authentisch – das ist unsere Superkraft. Unterschiede mögen uns irritieren, doch gerade Kontraste fördern Ausdehnung, Vorstellungskraft, Kreativität, Handlung und Wandel. Patañjali gibt uns einen praktischen, universellen Rat: „Wenn der Geist gestört ist“, wenn wir mit den Turbulenzen und destruktiven Mustern des Menschseins konfrontiert sind, „richte die Aufmerksamkeit auf das Gegenteil“ – auf eine andere Perspektive, auf deine Fähigkeit, die unendliche, universelle Liebe zu kanalisieren, die im Erleben des Lebens ebenso gegenwärtig ist. Es geht darum, Möglichkeiten zu erwägen, Potenzial zu erkennen, statt sich auf Begrenzungen zu fixieren. Meister Thich Nhat Hanh erinnert uns: „Ein Staubkorn kann das Königreich Gottes, das reine Land sein.“

Teaching Tips

  • Lade die Schüler:innen ein, darüber nachzudenken und zu reflektieren, wie die Yogapraxis unser Bewusstsein und unsere Perspektive verändert oder erweitert. Unsere Stimmung, unsere Energie, unser „Vibe“ verändert sich. Wir fühlen uns leichter – manchmal lösen sich sogar innere Konflikte, die uns vor der Praxis belastet haben. Du kannst die Schüler:innen auch bitten, nach dem Unterricht in ein Tagebuch zu schreiben, um festzuhalten, wie sie sich fühlen.
  • Lies aus „The Heart of Understanding“ von Thich Nhat Hanh – seine Lehren über „Inter-Being“ und die fünf Skandhas. Setze sie in Beziehung zur Asanapraxis.
  • Unterrichte die Wechselatmung (nadi śodhana) mit Atemanhalten, damit die Schüler:cinnen die Verbundenheit zwischen Ein- und Ausatmung sowie den Pausen dazwischen erfahren können. Achte dabei auf mögliche Kontraindikationen wie Schwangerschaft, hohen oder niedrigen Blutdruck, Lungenerkrankungen u. a.
  • Lehre ujjāyī-Atmung, mit einem gleichmäßigen, ruhigen Rhythmus, um Präsenz und Stabilität in Körper und Geist zu fördern.
  • Unterrichte Tādāsana – das Prinzip des Verwurzelns, um aufzurichten. Hebe hervor, wie dieses Prinzip in jeder Asana gilt. Verbindung ist zweiseitig. Wie fühlt es sich an, in gegenseitig unterstützenden Beziehungen zu sein? Wie können wir Beziehungen mit Menschen, Freund:innen oder Familienmitgliedern pflegen, die andere Meinungen oder Ansichten vertreten?
  • Ermutige die Schüler:innen, universelle Wahrheiten in der Natur zu erforschen. Beziehe dich auf die Schriften oder gesprochenen Worte von Ram Dass, z. B. „I am Loving Awareness“ oder „Nature“.
  • Lehre Meditation und lade die Schüler:innen ein, im Sitz der Beobachtenden zu verweilen – und zu erforschen, wie jede Beobachtung Schöpfung ist; wie Realität durch das Beobachten entsteht.
  • Stelle das Bild von Indras Netz vor, das die Welt als ein Netz aus unendlichen Verbindungen und gegenseitiger Abhängigkeit symbolisiert. Lade die Schüler:innen ein, dieses Konzept sowohl in ihrer Asanapraxis (im eigenen Körper) als auch in der Dynamik einer gemeinsamen Klasse zu erkunden. „Indras Netz“ – ein unendlich großes Netz des vedischen Gottes Indra – hängt über seinem Palast auf dem Berg Meru. In der ostasiatischen buddhistischen Vorstellung befindet sich an jedem Knotenpunkt ein Juwel, das sich in allen anderen Juwelen spiegelt. Dieses Bild beschreibt die vollkommene Durchdringung aller Erscheinungen im Universum – eine wechselseitige Verbundenheit in ihrer vollkommenen Schönheit (frei übersetzt von Wikipedia).
  • Nutze Mantra-Musik im Unterricht oder lade die Schüler:innen dazu ein, mit dem Wiederholen eines Mantras (in beliebiger Sprache, z. B. „Lass los“) während der Praxis oder im Alltag zu experimentieren – und zu beobachten, wie es den Geist beeinflusst. Das Subtile beeinflusst das Sichtbare.
  • Analysiere eine stehende Asana – sowohl auf körperlicher als auch energetischer Ebene – als Ausrichtung zwischen Erde und Himmel, zwischen Polaritäten. So können wir uns als Kanal dazwischen erfahren. Unterrichte zunächst ohne, dann mit bewusster Atmung – und lade dazu ein, den Unterschied wahrzunehmen: Der Atem bringt Bewusstsein. Er macht uns gleichzeitig geerdeter und leichter.