Auf Deutsch: Unsere Basis Finden

by Jules Febre |
March, 2022
Satyam Jñanam Ānandam Brahma

Wahrheit, Wissen, Glückseligkeit, das Absolute

  1. Dies ist Teil 1 von 7 Fokussen des Monats. Die nächsten 6 werden sich mit āsana und mit jedem der 5 Grundsätze befassen. Verbringe nicht zu viel Zeit mit diesen Themen, da ihnen jeweils ein eigener Monat gewidmet sein wird.
  2. Halte den Vortrag über Philosophie/Dharm kurz und einfach, rede nicht zu viel. Gib den Teilnehmenden Zeit, zu praktizieren und sich dann mit den Ergebnissen dieser Praxis zu beschäftigen. Sage auch am Ende der Klasse nicht viel. Gib den Schüler:innen die Möglichkeit, die Ruhe aus der Stunde in die Zeit danach mitzunehmen.
  3. Ermutige die Schüler:innen, eine Intention für die Stunde zu formulieren und herauszufinden, wann sie diese während der Praxis verloren haben.
  4. Freies Schreiben: Ermuntere die Schüler:innen, am Ende der Stunde ein Tagebuch zu schreiben. Bitte sie im Voraus, ein Tagebuch mitzubringen, in das sie in den letzten 5 Minuten der Stunde oder direkt danach schreiben können. Du kannst einige einfache Anweisungen machen oder Themen vorgeben: Was hat die Praxis zum Vorschein gebracht? Stelle einen Timer und schreibe. Höre mit dem Schreiben auf, wenn der Timer abgelaufen ist. Denke darüber nach, welche deine persönlichen Kernwerte sind.
  5. Chante das Gayatri Mantra aus dem Chantbook. Mögen die Sonne und alle ihre spirituellen Entsprechungen unsere Herzen und unseren Geist inspirieren.
  6. Die äußere Suche nach einem:r Lehrer:in oder einer Methode ist ein Spiegelbild unserer inneren Suche. Die Samen der Freiheit sind nur in uns selbst zu finden. Fördere die Unabhängigkeit der Personen, die zu deinem Unterricht kommen, indem du sie durch verschiedene Surya Namaskar-Variationen führst und ihnen dann 3 bis 5 Minuten Zeit gibst, ihre eigene Version zu üben.
  7. Die meisten von uns sind auf der Suche nach einer umfassenderen Wahrheit, einer verkörperten Weisheit, länger anhaltender Glückseligkeit (oder zumindest Freude oder Zufriedenheit) und der Erfahrung von etwas, das über uns hinausgeht. Ist es möglich, irgendetwas davon in einer āsana-basierten Klasse zu erfahren? Das kannst du nur durch eine eigene Praxis mit Sicherheit wissen – also gilt: Übe, bevor du unterrichtest.
  8. Überspringe weder die Meditation noch śavāsana.

 

Deutsche Übersetzung: Judith Quijano

Yoga ist ein Wort, das ein sehr weites Spektrum umfasst. Es kann sich sowohl auf eine Praxis als auch auf Endergebnisse beziehen. Es gibt Yogatraditionen, die aus dem Himalaya stammen, und solche, die neu erdacht und in den Westen gebracht wurden. Das Wort Yoga hat in vielen Kreisen an Bekanntheit gewonnen, und wahrscheinlich hast du schon einmal jemanden gefragt: „Welche Art von Yoga praktizierst/lernst du?“. Es besteht ein gewisses Verständnis dafür, dass es verschiedene Methoden gibt, die jeweils ihre eigenen Interpretationen, Lehren und Überzeugungen haben. Wir leben in einer Welt, die voll von nama (Name) und rupa (Form) bzw. Unterschieden ist. Unterschiede sind wichtig, insbesondere, wenn wir auf der Suche nach einer spirituellen Praxis sind. Bevor wir wirklich in eine Tradition oder Methode eintauchen, müssen wir zunächst einer Reihe von sehr einfachen Fragen nachgehen: Wonach suche ich und stimmt diese Methode/Tradition mit meinen Werten überein?

Auf den ersten Blick mag es überflüssig erscheinen zu sagen, dass wir alle anders sind. Und doch ist das wichtig und spiegelt sich auch in den verschiedenen Traditionen und Methoden wider. Diese können in wichtigen Fragen subtile Unterschiede aufweisen und beispielsweise das Augenmerk auf Rituale oder den Dienst legen. Je nachdem, wo diese Unterschiede liegen, fühlen wir uns zu bestimmten Methoden hingezogen und lehnen andere ab. Was zieht uns überhaupt zu einer „spirituellen Praxis“? Was hoffen wir zu erreichen – wonach suchen wir? Eine spirituelle Praxis kann uns zum Teil deshalb ansprechen, weil wir das Gefühl haben, dass etwas in uns selbst nicht stimmt oder nicht verwirklicht ist. Es kann auch sein, dass wir die Kernkonzepte, die wir über die Welt um uns herum gelernt haben, in Frage stellen. Dieses Infragestellen wiederum kann zu Unbeständigkeit oder Unzufriedenheit führen, während wir die Nöte, das Leid oder die Vergänglichkeit der Welt erleben. Vielleicht stellen wir fest, dass das, was einst unser grundsätzliches Verständnis der Welt war, nicht mehr zufriedenstellend ist – und so „beginnt“ unsere spirituelle Reise.

Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Traditionen und Methoden spielen eine wichtige Rolle, denn: Wie sollen wir jemals die nötige Ausdauer entwickeln, um eine Praxis aufrechtzuerhalten, wenn die Grundlagen der Methode nicht mit unseren aktuellen oder gewünschten zentralen Werten übereinstimmen? Möglicherweise lernen wir charismatische Lehrende oder andere Praktizierende kennen, die wir bewundern – doch wenn dieser Weg nicht zu uns passt, werden wir ihm nicht die Zeit widmen, die für eine Entfaltung seiner Wirkung notwendig wäre. So kann es sein, dass wir in der Beziehung zur Methode nicht die gewünschte stabile und freudvolle Verbindung wiederfinden. Beim Erforschen und tiefen Eintauchen in die Grundlagen der einzelnen Traditionen erhalten wir Einblick in unsere eigenen grundsätzlichen Überzeugungen. Hilfreiche Fragen in diesem Prozess sind: Wohin will mich diese Methode führen? Wie komme ich dorthin?

Das Wort Jivanmuktih bedeutet zum Beispiel ursprünglich „jemand, der zu Lebzeiten befreit ist; jemand, der immer noch in der Welt handelt, der von Anderen immer noch als Individuum wahrgenommen wird, bei dem das getrennte Selbst aber nicht mehr der Erfahrungskern ist“. Das Ziel ist es, noch zu Lebzeiten transzendentales Bewusstsein zu erlangen, anstatt für eine Zeit nach dem Sterben dieses Körpers zu praktizieren oder zu versuchen, die Praktiken zu nutzen, um diesen Körper und diese Welt hinter sich zu lassen. Vielleicht werden wir nicht in diesem Leben erleuchtet werden – das ist in der Tat ein sehr hohes Ziel. Es kann jedoch sein, dass wir auf dem Weg zur Freiheit oder Befreiung schrittweise bewusster, freundlicher, fürsorglicher und mitfühlender werden.

Jivamukti basiert auf den 5 Grundsätzen Ahimsa: Gewaltlosigkeit; Bhakti: Hingabe; Dhayāna: Meditation; Nāda: Klang und Śastra: Das Studium der Schriften der Meister:innen. Mittels dieser Grundlagen können auf der Reise viele Praktiken angewandt und künstlerische Kreativität hervorgebracht werden. Das einzige, worum wir gebeten werden, ist, uns an das Ziel der Freiheit oder Befreiung zu erinnern. Wenn unser Geist abschweift, wird die Basis wird uns stützen und uns zurückbringen. Alles, was wir tun müssen, ist, uns einen Moment Zeit zu nehmen, um innezuhalten. Stehen unsere Handlungen im Einklang mit dieser Basis oder bauen sie auf ihr auf? Fühlen wir diese stabile und freudvolle Natur dank unserer Verbindung und Praxis stärker? Wollen wir immer noch das, was wir früher von der Yogapraxis wünschten? Was will Yoga von uns?