Kreatives Handeln
Könnten wir nur eine einzige Handlung perfekt vollführen, würden wir die Perfektion selbst kennen. Wir könnten Erleuchtung erlangen. Yoga ist die Perfektion des Handelns.
Eine alte Geschichte erzählt von einem begeisterten Schüler des Mystizismus, der eines Tages die Aufgabe bekam, ein Gedicht zu schreiben. Die ganze Nacht arbeitete er durch und am nächsten Tag eilte er mit folgendem Gedicht zu seiner Lehrerin:
A Butterfly
Remove its wings
And you get a pepper
Daraufhin blickte die Lehrerin den Jungen irritiert an und schüttelte den Kopf. Dann nahm sie ihm das Papier aus der Hand und schrieb folgendes:
A Pepper
Add wings
And you get a Butterfly
So erklärte sie ihrem Schüler, dass allein die konstruktive Handlung wahrhaft kreativ ist, und viel weniger die destruktive. Es reicht nicht, wenn eine Idee revolutionär ist; vielmehr muss sie evolutionär sein.
Was sind die Kriterien einer perfekten kreativen oder künstlerischen Handlung? Es gibt drei verschiedene Grundtypen von Handlungen: Gedanken, Worte und Taten. Ein unvollständiger Gedanke führt zu Worten und Taten, die uns immer weiter in den Sog des Samsara, des Kreislauf von Geburt und Tod, hineinziehen. Wir müssen danach streben, unsere Gedanken und Beweggründe zu reinigen, durch Selbstreflektion und Mantra. Auch wenn unsere Gedanken von göttlichem Status sind, ist unser Körper und Geist von kulturellen Konditionierungen geprägt, die uns von der Ausführung vollkommener Handlungen abhalten und uns jedes vollkommene Wort verweigern. Wir müssen eine Art von Revolution durchlaufen oder uns mit einem komplett unkonventionellen Zustand wieder vereinigen. Das bedeutet, eine Handlung muss ungewöhnlich oder sogar schockierend sein, um eine neue Realität zu erschaffen. Gewöhnliche Revolutionäre übernehmen jedoch viel zu oft die Eigenschaften ihrer Unterdrücker, da sie normalerweise aus ähnlichen kulturellen und historischen Zusammenhängen wie diese heraus agieren und oft keine besseren Ideen haben. Wenn Handlungen aber einfach nur blind nachgeahmt werden, ist der Handelnde an seine Rolle für immer gebunden. Eine Handlung, die aus dem tiefsten Sein heraus entsteht, schafft Raum für Improvisation und Erfindergeist, da neue Formen am Horizont erscheinen. Natürlich soll das nicht heißen, dass Form schlecht und Anarchie der einzig wahre Weg ist. Die Techniken der Yogapraxis nutzen wir als Werkzeug, um alle kulturellen Konditionierungen in Körper und Geist abzubauen. Das Resultat aus dieser Praxis ist weniger Befangenheit und eine Steigerung an Selbst-Wertschätzung.
Als John Lennon und Yoko Ono in Tittenhurst Park, ein riesiges Haus außerhalb Londons einzogen, entschieden sie sich, die meisten Räume einfach leer zu lassen und strichen alles weiß. Angenommen, du würdest ein neues Haus erwerben und müsstest die ideale Entscheidung treffen, wie du es auseinandernimmst und wie du ein neues perfektes Haus baust. Braucht es nur eine Renovierung? Einige Reparaturen? Einen kompletten Abriss? Aluminiumverkleidung? Landschaftsbau? Und du musst dich entscheiden, wie du es einrichtest. All dein Zeug aus dem alten Haus, in der Zwischenzeit irgendwo gelagert? Ganz viel neues Zeug? Modernste Ausrüstung, Möbel und Bibliothek?
Du hast ein Haus geerbt – das Haus all deiner vergangen Handlungen – es nennt sich Körper und Geist. Deine Eltern gaben diesem Haus seinen Namen, und von da an hast du begonnen, es mit Dingen zu füllen. Du musst dich entscheiden, einen idealen Weg zu finden, es zu revolutionieren und ein perfektes neues zu bauen, um die ultimative kreative Handlung zu vollführen – einen engelsgleichen Körper, einen Schmetterling, das Haus Gottes zu erschaffen.
—David Life
Copyright Deutsche Übersetzung: Jivamukti Berlin GmbH. Die Englische Originalfassung findet sich unter https://jivamuktiyoga.com/teachings/focus-of-the-month/p/creative-action
Translation by – Jivamukti Berlin GmbH Team