nimittam aprayojakaṁ prakṛtīnāṁ varaṇ bhedas tu tataḥ kṣetrikavat
Der natürliche Fluss, Prakriti, wird nicht erst durch bestimmte Ursachen in Bewegung gesetzt. Diese entfernen nur die Hindernisse und Verkleidungen, wie ein Bauer, der Barrieren entfernt, um Wasser auf seine Felder fließen zu lassen. Wenn die Hindernisse entfernt werden, kommt die Natur von alleine zum Vorschein.
Viele Menschen denken, dass es in der Yoga-Praxis darum geht, etwas zu erreichen, ein bestimmtes Geschick – oder die Fähigkeit, eine Asana auszuüben. Eigentlich beseitigst du aber die Hindernisse, die dich davon abhalten, dort hinzugelangen. Du entledigst dich von allem Überflüssigem. Es ist der einschränkende Gedanke, die Einengung von Möglichkeiten, die den Fluss von Energie, oder Prang, verhindern. Wir wollen diese Kanäle öffnen. Weil Yogis sehr praktisch veranlagt sind, müssen wir dazu erst untersuchen, wie sie verschlossen wurden.
Meistens wird die Asana-Praxis mit dem physischen Körper assoziiert. Dieser Körper wird auch Anamaya Kosha oder „Nahrungskörper“ genannt. Kosha bedeutet Hülle oder Bedeckung. Aber was bewegt den physischen Körper? Du magst denken, dass du selbst dies tust. Aber tatsächlich bewegt deine Lebenskraft, deine Vitalität deinen Körper. Pranamaya Kosha ist der Vitalkörper, in dem Prana durch Energiekanäle fließt, die so genannten Nadis. Du kannst den menschlichen Körper nicht auseinandernehmen um diese Nadis zu finden. Sie sind nicht sichtbar, aber sie existieren und du kannst sie fühlen. Du kannst erkennen, ob du überreichlich oder zu wenig Energie hast. Die Koshas sind Hüllen, die umhüllen, wer wir wirklich sind. Du kannst es nennen wie du willst – Seele, göttliche Schöpfung, eine magische Erscheinung, frei, glücklich, grenzenlos. Das ist deine wahre Natur.
Du hast fünf Koshas oder Körper. Sie mögen nicht sichtbar sein, aber sie beeinflussen sich alle gegenseitig. Während der Asana-Praxis können dich emotionale Themen beschäftigen, intellektuelle Themen, Glückseligkeit – und natürlich passiert physisch einiges. Aber letztlich versuchen wir unsere Vitalität, den Energiefluss, zu steuern. Wir versuchen Barrieren zu entfernen, die verhindern, dass die Energie frei und nutzbringend fließen kann.
Ksetrika ist das Sanskrit-Wort für Bauer. In Indien wird Reis auf speziellen Feldern angebaut. Der Bauer baut einen kleinen Erdwall um die Reisfelder, um diese vor der nächstgelegenen Quelle fließenden Wassers zu schützen. Ein erfahrener Bauer weiß genau, wann er den Erdwall entfernen muss, so dass das Feld zur richtigen Zeit geflutet wird. Der Bauer muss wissen, wie lang das Feld geflutet bleiben sollte, bevor er den Erdwall wieder ersetzt und so die Flut stoppt. Es reicht nicht, guten Boden, gute Samen und verfügbares Wasser zu haben, um eine gute Reisernte zu gewährleisten. Eine besondere Intelligenz ist nötig, um zu verstehen, was der Reis braucht um zu wachsen. Eine besondere Weisheit ist nötig, um die richtige Zeit innerhalb der Jahreszeit zu kennen und so weiter. All diese Elemente arbeiten zusammen, um das Wachstum zu unterstützen. Das ist es, was Patanjali in dem Yoga Sutra beschreibt.
Was du durch die Yoga-Praxis tatsächlich erreichen kannst, ist diese besondere Weisheit, diesen speziellen Verstand, der es dir erlaubt, das Tor zu öffnen und Prana an Orte fließen zu lassen, die verschlossen waren. Dies kannst du erreichen, indem du die Beschränkungen spürst, die den Ausdruck deines physischen Körpers mit deiner Energie betreffen. Du möchtest vielleicht eine Asana üben, aber du kannst den Energiefluss nicht in die Rückseite des Beines lenken. Das Knie zittert und der Fuß ist unsicher. Aber durch Praxis und Ausdauer lernst du mit der Zeit, die Energie frei in dein Bein fließen zu lassen. Du weißt, wie du die Schranken öffnen und schließen kannst, wie ein guter Bauer.
Wichtiger als die körperliche Haltung an sich ist es, in ihr frei zu sein. Sieh dir die Körpersprache an, und du kannst Arroganz, Abwehrhaltung oder Angst an subtilen körperlichen Zeichen erkennen. Machst du dir vor allem Gedanken über dich selbst und deine Asana? Hast du vergessen, warum du praktizierst? Ein geringes Selbstwertgefühl zeigt sich darin, dass der physische Körper nicht mit Freiheit, Offenheit und Freude bewegt werden kann. Dies ist das Ergebnis von Gedanken an dich selbst und über andere. Es ist das Ergebnis egoistischer Handlungen in der Vergangenheit. Dadurch werden Türen verschlossen und es wird verhindert, dass Prana fließt und Wachstum möglich ist. Wenn lieblose Handlungen Türen in unserem Leben verschließen, dann sollten wir nach liebevollen und tugendhaften Handlungen streben.
Du verlierst nichts, wenn du Freundlichkeit an andere weitergibst. Tatsächlich wirst du mehr Lebensenergie spüren. Du kennst das aus Situationen, in denen du wenig Energie hast und eigentlich nicht mehr kannst, aber dann braucht jemand, der dir nahe steht, dein Verständnis. Die Person braucht dein Mitgefühl und deine Unterstützung und du liebst sie sehr. Du liebst sie so sehr, dass deine eigene Erschöpfung in Vergessenheit gerät. Du bist für die Person da, weil du dich mit ihr identifiziert, sie liebst. Wir wollen diese vollständige Freiheit, so dass du, wo auch immer du hingehst, voll und ganz lebendig bist und die Fähigkeit besitzt, jeden mit deiner Offenheit zu überraschen.
– David Life
Copyright Deutsche Übersetzung: Jivamukti Berlin GmbH. Der Englische Originaltext findet sich unter https://jivamuktiyoga.com/focus.
Translation by – Jivamukti Berlin GmbH Team