FOKUS DES MONATS FEBRUAR 2017: JENSEITS DER LEERE

by cat alip-douglas |
February, 2017
JENSEITS DER LEERE
 
gate gate paragate parasangate bodhi swaha
Jenseits, jenseits, wirklich jenseits, jenseits auch vom Jenseits. Die Weisheit bleibt, wenn alles andere abfällt.
„Die Prajñaparamita gibt uns eine solide Grundlage dafür, mit uns selbst Frieden zu schließen, die Angst vor Geburt und Tod zu überwinden, die Dualität zwischen diesen und jenem. Im Licht der Leere ist alles gleichzeitig auch alles andere, wir sind zwischen-sein, jeder ist verantwortlich für alles, was im Leben passiert. Wenn du Frieden und Freude in dir selbst herstellst, beginnst du, Frieden für die ganze Welt zu verwirklichen. Mit dem Lächeln, das du in dir erzeugst, mit der bewussten Atmung, die du in dir erzeugst, beginnst du, für den Frieden in der Welt zu arbeiten.“ – aus Das Herz der vollkommenen Weisheit, von Thich Naht Hanh.
Das Herz Sutra (Prajñaparamita) ist eine bedeutende und maßgebliche Lehre im Mahayana Buddhismus, es wurde uns vom bodhisattva (bodhi bedeutet „erwachen“, sattva „Wesen“) Avalokitesvara geschenkt. Das Buddhistische Mantra ermutigt uns, die Natur der Leere zu erforschen. Es ist ein verbreiteter Irrtum, die Leere anfänglich als völlig bedeutungslos zu verstehen. Indische Philosophie stuft Glauben in ein Spektrum zwischen āstika (dort ist, dort existiert) und nāstika (Abwesenheit von āstika) ein. Nach weiterer Befassung jedoch wird eine deutlich ausbalanciertere Vorstellung sichtbar, welche auf eine ineinandergreifende unermessliche Weite hinweist; ein gänzliches Nichtvorhandensein von Dualität und Gegensätzlichkeit. Diese Ansicht von Nicht-Dualismus mag der Auffassung von Einssein in Advaita Vedanta ähnlich sein, tatsächlich aber reduziert es diese mehr noch zu Null-sein, jenseits von Einzigartigkeit.
Der vietnamesische Meister des Zen Buddhismus, Thich Naht Hanh, kapselt die Auffassung von shunyata (Leere) ab, indem er vorschlägt, dass es „leer von einem getrennten Selbst, aber gefüllt mit allem aus dem Kosmos“ bedeutet. Aufgrund dieser Einfachheit mag ein neuer Schüler das Gefühl haben, dies zu verstehen. Jedoch weist Nhat Hanh darauf hin, dass eine aufmerksame „Intimität“ oder ein meditativer Zugang notwendig seien, um die eigentliche Bedeutung wirklich begreifen zu können. Um alles zu durchschauen ist es gewissermaßen notwendig, es auf einer Kernebene zu begreifen. Jenseits, jenseits kratzt an der Oberfläche vom Kennen der wahren Natur aller Dinge, wir glauben wir „verstehen es“, doch sagt das Sutra: geh’ tiefer – jenseits des Jenseits, gehe weiter in den Bedeutungsumfang. Zum Beispiel mögen wir wünschen, überprüfen zu können, wie das Essen, das wir vor uns sehen, entstanden ist. Statt anzunehmen, dass es als eine isolierte Erscheinung auf dem Tisch landet, grübeln wir über folgende Frage: Welches sind all die Faktoren, die dieses Essen gemacht haben? Was sind seine Bestandteile? Ist es mit Leid fühlender Wesen verbunden? Sind wir uns bewusst, wie wir dazu beitragen und dieses Leid aufrechterhalten, allein auf der Basis unseres individuellen Konsums? Um den Prozess zu erforschen, benötigen wir ein tiefes und aufrichtiges Wissen von Ko-Existenz und der ineinandergreifenden Natur aller Dinge, ohne wegzusehen oder oberflächliche Perspektive.
Nach einigen Jahren der Praxis von Yoga Asana mögen wir glauben, dass wir den Einsatz von mula bandha verstanden haben, nur um zu realisieren, dass es nicht ist, was wir gedacht haben. Was mit einer groben physikalischen Beckenkontraktion begann, kann letztlich subtiler und feiner geworden sein. Wenn wir größeres Bewusstsein erlangen, wird es mühelos im Vergleich zu der anfänglichen Praxis von übertriebenem Festhalten oder erzwungener Anspannung. Das gleiche kann hinsichtlich der Prinzipien von Ausrichtung, Ujjayi-Atmung, sowie des philosophischen Rahmenwerks, dem wir uns anschließen, gelten. Indem wir uns länger damit auseinandersetzen, verstehen wir, dass Dinge, von denen wir einst dachten, dass wir sie in ihrer Fülle verstanden hätten, in Wirklichkeit immer weiter über unser Verständnis hinausgehen.
Im Zentrum dessen steht das Erwachen der Realität, dass unsere Leben miteinander verbunden sind, und das Leid eines einzelnen wird untrennbar vom Leid der anderen. Unausweichlich sehen wir klarer, wie der Konsum von Milchprodukten und Eiern unbestreitbar und grundlegend das Leben einer Kuh und eines Huhns beeinflusst. Das Herz Sutra erinnert uns, dass wir verantwortlich sind. Wir müssen hinter die Schichten des Wissens schauen, welches wir so lange gebilligt haben – jenseits des Jenseits gehen.
Wir können es als eine tägliche Inspiration nutzen, den Teppich unter uns selbst wegzuziehen und alle Dinge zu hinterfragen. Oft machen wir den Fehler, dass wir denken, dass wir sehr viel wissen, aber tatsächlich wissen wir kaum etwas im tiefsten Sinne. Die ultimative Weisheit bleibt, wenn alles andere abfällt.
Cat Alip-Douglas
Copyright Deutsche Übersetzung: Jivamukti Berlin GmbH
Die Englische Originalfassung findet sich unter https://jivamuktiyoga.com/focus.
 
Translation by – Jivamukti Berlin GmbH Team