FOKUS DES MONATS NOVEMBER 2017: VERKEHRTE UMKEHRUNG

by Jules Febre |
November, 2017
Was auf unserer Matte passiert, sollten wir auch in unserem täglichen Leben außerhalb der Matte integrieren. Wenn wir an Inversionen denken, sind die klassischen Bilder von Handstand (adho mukha vrkshāsana), Unterarmstand (pincha mayurāsana) und gestütztem Kopfstand (salamba śirsāsana) höchstwahrscheinlich die ersten Dinge, die uns einfallen. Selten würde man an die Umverteilung von Reichtum, die Reduzierung menschlicher Verschwendung oder die Abschaffung der Tierhaltung denken. Wenn du bei dem Wort „Umkehr“ nur an die āsanas in deinem Yogastudio denkst, dann ist das sicherlich ein guter Anfang, lange aber noch nicht ausreichend. Die kraftvollste Umkehrhaltung ist keine āsana, sondern ein mudra – vīparita karani ist eine Haltung, die in der Bihar Version der Hatha Yoga Pradipika als “umgedrehte Standpunkt-Haltung” übersetzt wird.
 
Im Wesentlichen haben alle āsanas, die ein hohes Maß an körperlicher Inversion haben, die Fähigkeit, unsere Einstellungen und unsere Gefühle zu reflektieren. Sie beleuchten unsere Neigungen, insbesondere jene, die vom Verstand ausgesteuert werden. Wenn wir uns auf den Kopf stellen, dreht sich ebenfalls unsere Beziehung zur Realität auf den Kopf und kann Angst, Minderwertigkeitsgefühle oder Schwäche hervorrufen. Wenn Inversionen jedoch sicher und mit klarer Anweisung praktiziert werden, verschwindet die Angst und die Kraft nimmt zu.
 
Verändertes Verhalten, führt zu veränderter Wahrnehmung. Durch Übung können neue Ansichten gestärkt werden.
Die āsana-Praxis hilft dabei, uns mit unserem eigenen Weltbild zu konfrontieren. So könne wir anfangen zu sehen, wo wir diesen Umkehrungsprozess im tieferen Verständnis umsetzen können. Die Kraft und mentale Stärke die wir benötigen um Angstsituationen, wie den Handstand in der Mitte des Raumes, zu meistern, kann und sollte ins tägliche Leben integriert werden. Natürlich braucht es ebenfalls viel Mut, unsere Stimme gegen die Missstände unserer Welt zu erheben. Wir befürchten, dass wir von Freunden oder Familienangehörigen ausgeschlossen werden, wenn wir etwas sagen. Vermutlich wissen wir bereits, dass unser bisheriger Lebensstil unnötigen Schaden in der Welt verursacht, sind aber nicht sicher, wie wir einen neuen anwenden können, der weniger toxisch oder schädlich ist. Gedanken umzukehren, Sichtweisen zu ändern, das alles kann beängstigend sein. Und wir können anfangs das Gefühl dafür verlieren, wer wir sind und wo wir eigentlich hingehören. In genau diesem Moment, kann uns die nachhaltige Wirkung unserer āsana-Praxis an unsere eigentliche Belastbarkeit erinnern. Mit Übung und Geduld werden wir den Mut haben, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Was einst vielleicht unmöglich schien, wird möglich. Wir müssen die Dinge nur selbst in die Hand nehmen.
 
Wie in allen Prozessen ist die Vorbereitung von höchster Wichtigkeit. Andernfalls laufen wir Gefahr, uns selbst, aber auch unsere Umwelt zu überlasten und damit jede Aktion zu unterbinden. Die Hatha-Yoga-Pradipika bezieht sich direkt auf die Bewegung des Bewusstseins, die im Schädel beginnt und sich schließlich nach unten und nach außen bewegt und auf dem Weg Verluste hinnehmen muss. Wir alle haben sicher im Leben bereits die Erfahrung gemacht, dass Personen, Orte oder Umgebungen uns negativ beeinflussen können und wir uns dadurch erschöpft fühlen. Was wir essen, mit welchen Dingen wir unseren Geist konfrontieren (Filme, Bücher, Zeitschriften usw.), kann ebenfalls unser Paniklager beeinflussen. Sogar eine schlecht geplante āsana-Praxis kann uns das Gefühl geben, schlapper als zuvor zu sein. Wir wollen, dass unsere āsana-Praxis, Essgewohnheiten, Freundschaften und Jobs dabei helfen, unsere Energie zu erhöhen und unser Bewusstsein zu erweitern. Wir wollen, dass jede Übung ein größeres Gefühl von Ganzheit und Einheit vermittelt.
 
Eine yogische Praxis beginnt stets mit dem Selbst und strahlt nach außen in unsere Beziehungen mit anderen aus. Nutze diese kostbaren Momente in der Umkehrhaltung, um die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Sei offen für die Wirkung jeder āsana und geh in den Dialog, indem du hörst, was auf dich zukommt. Das Ziel ist niemals, eine ständig wachsende Liste von Zirkusticks zu sammeln; sondern die Unreinheiten in unserer Sicht auf die Welt und das Zögern in unseren Handlungen zu beseitigen.
 
Jivamukti Yoga Editorial Team
 
Translation by – Jivamukti Berlin GmbH Team