FOKUS DES MONATS SEPTEMBER 2017: Wir haben es satt

by David Life |
September, 2017
 
atha yoga anushasanam
Jetzt. Das ist Yoga. So, wie ich es in der Natur erfahren habe.
— Das Yoga Sutra von Patanjali (PYS 1.1)
 
Alle, der sich ernsthaft mit Yoga beschäftigen, sind aus dem gleichen Grund irgendwann zum Yoga gekommen – wir haben es satt ! Das heißt: wir haben genug.
 
Atha bedeutet „jetzt“. Allerdings bedeutet es mehr als nur „jetzt“; es bedeutet jetzt im Zusammenhang mit „nachher“ oder „darüber hinaus gehen“. Das wichtigste an diesem Zwischenton ist, was daraus folgt, nämlich dass was auch immer passiert, wird jetzt, danach, anders sein. Patanjali spricht also in seinem ersten Sutra direkt die Menschen an, die genug von den Dingen haben, wie sie sind. Jeder von uns hat seine eigene Geschichte dazu, welche Gestalt dieses Genughaben hat – ein elender Job, ein Leben mit Drogen, eine anstrengende Beziehung etc. Aber eigentlich kommen wir alle aus einem Grund zum Yoga – irgendwann in unserem Leben machen wir Inventur und wägen die großartigen Erlebnisse mit den leidvollen ab, mit dem Ergebnis, dass das Leben stark mit Leiden verbunden ist – auch wenn das Leiden relativ harmlos ist, wie zum Beispiel „die Dinge laufen gut, aber ich weiß, da gibt es noch mehr, wofür es sich zu leben lohnt“. Die meisten Menschen allerdings befinden sich nicht an diesem Punkt; sie sind nicht gewillt, alte Modelle loszulassen. Einige mögen es sogar zu leiden und identifizieren sich damit. Sie haben es noch nicht satt – haben noch nicht genug davon, sie sind noch nicht soweit zu sagen: „Okay, was gibt’s noch? Ich suche alles ab, um es zu bekommen.“ Aber für die Menschen, die soweit sind, hat Patanjali eine Antwort und sagt: „Du bist bereit dafür, diesen Kram zu hören.“ Das sind die guten Neuigkeiten über das erste Wort atha.
 
Das Wort shasanam kann man als eine Reihe von Regeln verstehen, Disziplinen, die von Außen an uns herangetragen werden, Zusammenstellungen von Instruktionen, die uns anleiten sollen, was als nächstes zu tun ist. Setzten wir nun das Wort anu davor, welches wörtlich „Atom“ bedeutet, ist es so zu verstehen, dass die Anleitungen oder die Art wie man sich benimmt, von Innen kommen. Zum Beispiel – „Ich bin durstig, also hole ich mir ein Glas Wasser“. Es ist ganz leicht: Wir verstehen es nicht als Regel, dass man etwas trinkt, wenn man durstig ist oder etwas isst, wenn man Hunger hast, wir machen es einfach. Patanjali macht uns in diesem Sutra verständlich, dass Yoga ganz natürlich entsteht. Es fließt durch uns durch, und wenn wir uns nur nicht selbst im Wege stünden, würde es sich einfach frei in unserem Leben manifestieren. Und das ist die Praxis des Yoga – die Praxis, den Weg frei zu machen.
 
Es ist natürlich sehr schwer, die Teile, die den Fluss unserer natürlichen Weisheit und Klarheit behindern, loszulassen, da sie sich durch unsere Erziehung in uns festgesetzt und verselbständigt haben. Sie sind Methoden, mit der Welt zurechtzukommen, sie sind unsere besten Ausreden: sie bestimmen, wie schwer wir es haben und wie unlösbar unsere Probleme sind. Aber Patanjali sagt, dass sie die unnatürlichen Teile von uns sind, die uns hinzugefügt worden sind, wir können sie ablegen, genau wie wir unsere Kleider ablegen. Gleichwohl ist es es nicht ganz so einfach. Einhundert Prozent dessen, was uns einschränkt, ist in unseren Gedanken und setzt sich in unserem Körper auf verschiedene Art und Weise fest. Yogapraxis ist dazu gemacht, uns zu zeigen, wo dieser Energiefluss stecken geblieben ist, sei es in unseren Gedanken, unseren Schultern oder Hüften. Daher wird Yoga oft als Disziplin bezeichnet. Allerdings ist es wichtig zu verstehen, dass es keine dieser Disziplinen ist, die von außen aufgezwungen werden, oder für die Lehrer gesprochen, diese Disziplin können wir niemandem aufzwingen. Diese Disziplin erlebt man auf natürliche Art. Während wir durch Schwierigkeiten in unserer Praxis gehen, welcher Art auch immer sie seien, erleben wir diese Schwierigkeiten als gesegnete Momente und Chancen. Sie sind keine Schwächen, sondern Chancen, das zu reflektieren, was uns voneinander trennt, die Natur des Leidens in unserem Leben, welche Rolle Vorurteile und Fixierungen in unserem Leben spielen, etc., und diese einfach loszulassen. Das kann sehr schnell in nur einem Augenblick passieren, allerdings kann es auch einige Zeit dauern; es ist nicht leicht, einen sorgfältig angefertigten Pfeil zu spannen. Der großartige Lehrer Dharma Mittra sagt gerne „ Werde wütend und mach es!“ Hab’ es satt! Mach es aber nicht, weil es dir ein Lehrer sagt, oder weil es eine Vorschrift ist; mach’ es aus deinen eigenen Gründen heraus, weil du die Dinge satt hast, so wie sie sind, weil du sie ändern willst. Mach es, weil du es machen willst. Mach’ es, weil du einen grausamen Diktator loswerden willst – die Identifikation mit deinen Gedanken. Mach’ es als deine persönlichen Revolution. Atha….
 
-David Life
 
Translation by – Jivamukti Berlin GmbH Team