Jivamukti Fokus des Monats Mai 2013: Zurück in die Zukunft

by Sharon Gannon |
May, 2013

Zurück in die Zukunft

Wenn unsere Herzen voller Freude und Mitgefühl sind, gibt es keinen Raum für Wut, Angst, Abneigung, Opferdasein oder die anderen negativen Emotionen, die uns zusetzen. Keiner von uns hat Lust, wütend zu sein. Keiner denkt, Eifersucht  oder Abneigung gegen andere seien eine gute Sache. Wenn wir diese Emotionen in uns erkennen, mögen wir das nicht – einerseits fühlen wir uns  zwar emotional wie physisch schlecht – gleichzeitig fällt es uns schwer, diese negativen Emotionen loszulassen.

Das Üben von Rückbeugen kann helfen. Rückbeugen aktivieren anahata ahakra, unser Herzchakra, welches sich im Zentrum der Brust befindet. Anahata chakra ist verbunden mit unseren karmischen Beziehungen zu Personen, die uns nach unserem Empfinden verletzt haben. Wenn wir Rückbeugen üben, bekommen wir Zugang zu unserem Herzzentrum und erlauben die Erfahrung dieser Beziehungen an die Oberfläche kommen zu lassen. Das kann beängstigend sein, denn es zwingt uns zu erkennen, dass die Quelle der Negativität in uns selbst ist und nicht in den anderen, von denen wir gewöhnlich denken, dass sie uns ungerecht behandelt haben – wir können nur Dinge ausserhalb von uns selbst sehen, die wir bereits in uns tragen; nichts existiert in der Welt, ohne zugleich eine Projektion unseres eigenen Geistes zu sein. Wie wir andere in der Vergangenheit behandelt haben, bestimmt, wie wir jetzt von anderen behandelt werden. Aus diesem Grund ist es unklug, andere für unser Leiden zu beschuldigen. Stattdessen sollten wir lernen zu vergeben und uns, an der Kraft der Liebe ausgerichtet, nach vorne bewegen. Wie Dr. Martin Luther King Jr. sagte: “Ich habe mich für die Liebe entschieden, Hass ist eine zu schwere Last.” Rückbeugen stimulieren auch unsere Thymusdrüse, welche ihren Sitz hinter dem Brustbein, unter der Kehle hat. Die Thymusdrüse spielt eine bedeutende Rolle in unserem Immunsystem, welches geschwächt wird, wenn wir in düsteren Gedanken schwelgen. Das Anregen dieser Drüse unterstützt das Immunsystem bei  effektiver Arbeit und trägt zu einer besseren Gesundheit bei. Unsere physische, psychische und spirituelle Gesundheit sind eng miteinander verflochten.

Ein innerer Widerstand gegen Rückbeugen ist in der Regel eine innere Angst vor dem Fallen, welche eigentlich die Angst vor dem Tod ist. Die Angst vor dem Fallen wird als instinktiv eingeordnet und ist daher schwer zu überwinden. Angst ist eine Sicherheitsmaßnahme, sie warnt uns vor Gefahren und löst physiologische Reaktionen aus, die zu unserem Schutz entstanden sind. Der Psoasmuskel, der von der Vorderseite der Wirbelseile durch das Becken verläuft und mit dem Oberschenkelknochen im Oberschenkel verbunden ist, ist verantwortlich für die Hüftbeuger – in der Vorwärtsbeuge. Angst bewirkt, dass der Psoas sich zusammen zieht, um die Vorderseite des Körpers zu schließen und unsere inneren Organe zu schützen. Wenn Angst zur Gewohnheit wird, wie es für die meisten in unserer Gesellschaft der Fall ist, dann verliert der Psoas an Flexibilität und macht Rückbeugen beängstigend und schwierig. Aber mit durchdachter und regelmäßiger Rückbeugenpraxis über einen längeren Zeitraum wird sich der Psoas wieder dehnen, unsere Herzen werden von negativen Emotionen befreit und wir erleben immer weniger Angst.

Rückbeugen müssen vorsichtig angegangen werden. Bevor wir damit beginnen, müssen wir unsere Wirbelssäule aufwärmen, was gut mit surya namaskar getan werden kann. Die Stärkung der Beine ist ebenso essentiell für eine sichere Rückbeugenpraxis. Durch das Üben von Standhaltungen bekommen wir die benötigte Erdung und Aufmerksamkeit in unsere Beine. Es auch eine gute Idee, Vorbeugen vor den Rückbeugen zu üben, da dies Krämpfe und Schmerzen im Rücken vermeiden hilft, wobei bei ausreichendem warm up die Rückbeugen auch sicher vor den Vorbeugen geübt werden können. Dies gilt insbesondere, wenn man die Rückbeugenserie mit Umkehrhaltungen wie sirsasana, pincha mayurasana oder adho mukha vrkshasana beginnt. Eine Rückbeugensequenz sollte immer mit den sanfteren Rückbeugen wie bhujangasana oder shalabasana beginnen und dann fortgeführt werden mit mittelschweren asanas wie dhanurasana oder ushtrasana, und mit den intensivsten asanas wie kapotasana oder urdhva dhanurasana abgeschlossen werden. Es ist ausserdem wichtig, nicht zwischen Vor- und Rückbeugen in einer Sequenz zu wechseln. Denn da in Rückbeugen die Wirbelsäule in den Körper gezogen wird, während in Vorbeugen die Wirbelsäule sich nach außen biegt, ist es sicherer und sanfter, Rück- und Vorbeugenserien getrennt voneinander zu üben.

Wesentlich für eine intelligente Rückbeugenpraxis ist, bei deren Übung niemals den Atem anzuhalten. Die Atmung sollte stark, ruhig und beständig sein. Außerdem verhilft eine höhere Intention im Bewusstsein während des Übens zu guten Ergebnissen. Ein Beispiel für eine hohe Intention in einer Rückbeuge könnte sein, Wut auf eine bestimmte Person loszuwerden, indem man diese Person im Fokus hat und mit der Einatmung: „Segen und Liebe für“ und mit der Ausatmung den Namen der Person sagt. Dies geschieht am besten leise.

Rückbeugen bringen uns in die Zukunft. Durch das Öffnen unseres Herzens beginnen wir anderen zu vergeben und lassen davon los, uns selbst als Opfer zu sehen. Durch Vergebung können wir die Schmerzen auflösen, die uns von unserer wahren Natur, welche Liebe ist,  ferngehalten haben. Es ist nicht möglich, gleichzeitig die Opferrolle zu spielen und erleuchtetes Wesen zu sein. Es ist unsere Wahl. Mit der Übung entwickeln wir eine enorme Kraft, die uns hilft uns im Leben nach vorne zu bewegen mit einem Sinn für Abenteuer, furchtlos, voller Freude, Zuversicht, Mitgefühl und Liebe – auf dem Weg zur Erleuchtung.

 

— Sharon Gannon

  Deutsche Übersetzung © Jivamukti Berlin GmbH; englische Originalfassung unter https://jivamuktiyoga.com/teachings/focus-of-the-month/p/back-future

Translation by – Jivamukti Berlin GmbH Team