„Es ist zu schwierig, nur das zu sein, was wir sind. Der denkende Geist kann nicht stillhalten, wenn er ein Bild, eine Vorstellung oder ein Bild hält. Unser Körper und unser Geist verändern sich ständig mit unterschiedlichen Bildern.“
Frei übersetzter Auszug aus Shri Brahmananda Sarasvatis Essay ‘World of Images’ (Welt der Bilder) vom 31.1.1986.
An einem frühen Sonntagmorgen im Juli sitze ich auf der Veranda unseres Hauses in den Catskill Mountains in New York und werde von einer Vielzahl von Geräuschen aus dem Wald überflutet. Jede Zelle meines Körpers nimmt diese spontanen Ausdrucksformen der Natur auf – doch immer wieder mischt sich der Verstand ein und versucht, zu jedem Geräusch ein Bild zu formen: eine Eule, ein Kolibri, eine Grille, ein Streifenhörnchen, eine Zikade, eine Nachtigall, … und dann gibt es auch Geräusche, denen der Verstand kein Bild, keine Quelle zuordnen kann.
Wissen und direkte Erfahrung stehen im Wettstreit. Immer wieder erinnere ich mich selbst liebevoll daran, ganz im Klang der Natur, in der sich ständig wandelnden Symphonie aufzugehen. Die Gewohnheit, etwas mit dem denkenden Verstand zu benennen, statt es direkt zu erfahren, ist schwer abzulegen.
Jeder Gedanke hat ein Bild. Und jedes Bild erzeugt nicht nur Gedanken, sondern auch körperliche und chemische Reaktionen im Körper. Daher auch die starke Anziehungskraft der Bilderwelt, die wir füttern – und von der wir gleichzeitig gefüttert werden: Bilder von fernen Reisezielen, von Krieg, von Frieden, von Luxus, von Einfachheit usw.
Sogar unsere spirituelle Suche ist oft bildgesteuert. Wir sehen uns selbst als Wahrheitssuchende. Wir haben Bilder im Kopf: vom Meditierenden, von Meditation, vom Meditierenden bei der Meditation – jedes Bild verstärkt das duale Erleben von Subjekt und Objekt.
Ein Bild vom U-Bahn-Plan von New York hilft mir, mich in der Stadt zu orientieren. Ein Bild davon, wie die Sonne im Tagesverlauf verschiedene Seiten unseres Hauses beleuchtet, hilft mir bei der Gartenplanung. Bilder können also nützliche Werkzeuge sein. Aber wenn wir sie nicht loslassen können, wenn sie gerade nicht gebraucht werden, bleiben sie wie Geister in unserem Kopf aktiv – Tag und Nacht. Und so wird unser ganzes Leben „imaginär“. Träumen ist Schlaf mit Bildern. Tiefer, erholsamer Schlaf ist frei von Bildern. Dasselbe gilt auch für unseren Wachzustand: Wenn wir unnötige Bilder bewusst loslassen, kann unser Geist zur Ruhe kommen. Dann entsteht Raum und Klarheit. Dann sind wir bereit für die Weite und Klarheit, die die Ruhe ermöglicht.
Alle sieben Jahre erneuern sich die Zellen unseres Körpers. Mit fast 50 sehe ich nicht mehr so aus wie mit 43. Und doch hält mein Verstand oft am früheren Selbstbild fest. Bilder sind an Raum und Zeit gebunden – und halten damit auch uns in Raum und Zeit fest. Was wäre, wenn wir das Bild, das wir von uns selbst vor 20 Jahren hatten, loslassen könnten? Würde das unsere Offenheit für Wandel vergrößern?
Shri Brahmananda Sarasvati erinnert in seinem Essay „World of Images“ (frei übersetzt): „Das ‘Ich bin’-Prinzip – das, was wir in unserem tiefsten Wesen sind – hat keine Form, kein Bild, kein Geschlecht, keine Farbe, kein Alter.“ Solange unser Bewusstsein an das psychosomatische System von Bildern gebunden ist, halten wir uns selbst davon ab, zu erfahren, was jenseits von Körper und Geist, Zeit und Raum, Sprache und Bild liegt – jenseits von Name und Form.