Der Klang OM – (German)

by Anna Lunegova |
June, 2024

 

Chante und wiederhole OM, und erkenne das Göttliche in dir.

-Übersetzung von Manorama

 

„… und es erklang mit augenblicklichem Schmerz, erschütterte den Körper des Universums mit dünner Luft und Feuer, das heilige Wort Om.“

So beschreibt der große russische Dichter Nikolai Gumilev (1886-1921) den Einfluss der Praxis des Rezitierens des Mantras Om auf den alten Drachen.
Die yogischen Texte besagen, dass der:die Praktizierende die Schwingung des Universums hören und sogar über den Klang hinausgehen kann. Wie Fische im Wasser ist auch die Menschheit in ständiger Schwingung, hört sie aber nicht. Die Fähigkeit zu hören ist mit der Entwicklung des Bewusstseins verbunden. Sharon Gannon verweist in diesem Zusammenhang auf die Achtsamkeit: zuhören – hören – wissen – werden – sein.

Im Hinduismus und in der vedischen Tradition ist Om der ursprüngliche Klang, das heilige Mantra, die Schwingung des Universums, die phonologische Manifestation des Absoluten. Die Alten nannten diesen Klang Shabda Brahman. Dieser Klang wird oft als Symbol der Trimurti (Brahma, Vishnu und Shiva) interpretiert.

Es wird angenommen, dass Om die drei wichtigsten Vedas symbolisiert: Rigveda, Yajurveda und Samaveda. Viele der wichtigsten Upanishaden beginnen mit dem ursprünglichen und heiligen Om (z. B. Brihadaranyaka Upanishad, Taittiriya Upanishad, Mandukya Upanishad, Isha Upanishad).

Das Om-Mantra setzt sich aus den drei Klängen A + U + M zusammen, die den Dreiklang unserer Realität symbolisieren: Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung; Himmel, Luftraum und Erde; Wunsch, Wissen und Handeln; Körper, Geist und ihre Einheit.

Die Silbe Om wird als Teil des Mantras OM TAT SAT in der Bhagavad-gita (17:23) erwähnt, wo es heißt, dass diese drei Worte „vom Beginn der Schöpfung an verwendet wurden, um die Höchste Absolute Wirklichkeit zu bezeichnen“.

Die Mandukya Upanishad ist ganz der Analyse der verschiedenen Aspekte von Om gewidmet. Diese Silbe wird mit der Zeit in ihrem dreifachen Aspekt – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – identifiziert. Die einzelnen Bestandteile von Om (A, U, M) entsprechen einem bestimmten Bewusstseinszustand: jagrat – Wachheit (A), swapna – Schlaf mit Traumzustand (U), sushupti – Tiefschlaf (M), und Stille nach Om – turiya, der jenseits aller drei Zustände liegt.

Die Technik der Aussprache des Lautes Om ist bedingt in drei Zeitabschnitte unterteilt. Jede der Komponenten von Om (A, U, M) entsteht und wird in verschiedenen Teilen des Körpers erhalten: A im Brustbereich, U im Halsbereich und M im Kopfbereich, dessen Echo im Scheitelbereich allmählich verblasst.

Ähnliche Techniken finden sich in den Abhandlungen der Natha- und Gorakha-Tradition der Yogis. In der Dhyana-bindu Upanishad heißt es, dass Pranayama so interpretiert wird: „Brahma ist die Füllung, Vishnu die Verzögerung und das Ausatmen Rudra (Shiva) […].“

Der:Die Yogi:ni, der:die entschlossen ist, sein:ihr Ziel zu erreichen, sollte den Klang Om aussprechen und verstehen, wofür er steht. Dies sollte getan werden, um die Quelle des Universums zu erkennen, indem das schlafende Bewusstsein geweckt wird.

Natürlich diktiert uns das moderne Leben Aufgaben, aber wenn wir die Macht des Wissens verstehen, das wir erlangen, wenn wir insbesondere die heilige Bedeutung des Klangs Om verstehen, dann werden wir erkennen, welche Chance uns gegeben ist, und wir werden in der Lage sein, moderne Technologien und Vorteile zu nutzen, um Zeit für die Verwirklichung wahrer Ziele freizumachen. Hoffen wir, dass die in der Praxis gewonnenen Erkenntnisse uns mit uns selbst und anderen Wesen verbinden werden.

Teaching Tips

  • Wenn man den Klängen der tibetischen Klangschalen lauscht, kann man hören, dass sie Om singen. Die musikalische Begleitung des Unterrichts kann eine Playlist mit Aufnahmen von Klangschalen oder eine Live-Begleitung durch eine:n Musiker:in mit Klangschalen und einem Gong sein. Nutze verschiedene Musikstücke, in denen das Om-Mantra durchgehend rezitiert wird.
  • Verwenden moderne Musik, in der das Om-Mantra rezitiert wird, schließlich ist der Klang Om die primäre Grundlage aller Klänge und Sprachen.
  • Mache die Lektüre der in diesem Essay erwähnten Texte zu deiner persönlichen Yoga-Praxis.
  • Verwende als Grundlage für den Dharma-Talk Zitate aus yogischen Texten, wobei du dich mehr auf die Primärquellen beziehen und dich weniger auf ihre Interpretation konzentrieren solltest.
  • Japa Om – als eigenständige Praxis oder als Vorbereitung auf die Meditation.
  • Beginne oder beende den Unterricht mit Japa Om. Beobachte, welchen Geisteszustand die Praktizierenden und du nach dem Japa zu Beginn der Klasse haben werden.
  • Verwende verschiedene Ausspracheoptionen für das Mantra. Zum Beispiel alle zusammen 108 oder mehr Mal. Nutze Kakophonie: Jede:r beginnt zu sprechen und sobald eine Person den Laut Om zu Ende gesprochen hat, spricht sie in ihrem eigenen Rhythmus weiter. Mache dies abwechselnd: Eine Person beginnt und die anderen machen nacheinander weiter. Auch andere Varianten sind möglich.
  • Fokussiere dich in der körperlichen Praxis auf die Beweglichkeit der Hüftgelenke, damit der:die Praktizierende einen Sitz wählen und für Japa Om und Meditation still sein kann.
  • Betrachte den Klang von Om im Körper und lege den Schwerpunkt einer Klasse wie folgt fest:
    o Öffne die Vorderseite des Körpers, da sich der Klang A in der Brust befindet;
    o übe Umkehrhaltungen, da sich der Ton U im Halsbereich befindet;
    o übe den Kopfstand, da sich der Ton M im Kopf befindet.
    o Es ist auch möglich, alle oben genannten Vorschläge miteinander zu kombinieren.

 

Englisches Original: Anna Lunegova
Deutsche Übersetzung: Judith Quijano