Die Verantwortungen des:der Sadhaka/Sadhika des 21. Jahrhunderts – (German)

by Clare Nicholls |
May, 2024

Was auch immer die beste Person tut, der Rest wird ihr folgen. Welches Maß sie auch immer festlegt, wird der Maßstab für alle sein.

Bhagavad Gita (Übersetzung von Manorama aus dem Jivamukti Yoga Chant Book)

Meine Mutter brachte mir bei, mit gutem Beispiel voranzugehen. Unser Verhalten, nicht unsere Wort, ist der Maßstab dafür, wer wir sind. Wir bewirken Tag für Tag durch die Art und Weise, wie wir mit der Welt umgehen, erstaunlich viel. Verhalten wir uns so, wie wir es uns auch von Anderen wünschen würden?

Hier, im dritten Kapitel der Bhagavad Gita, fordert Krsna Arjuna auf, aufzustehen und die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Arjuna hat eine Verantwortung zu handeln und Krsna erklärt, dass Handeln mehr als eine Verantwortung sei – Handeln sei unvermeidlich. Selbst Untätigkeit sei laut Krsna eine Art von Handlung, nur eben keine verantwortungsvolle. Arjuna wandte sich an Krsna und bat um Rat.

Es ist der Vorabend eines großen Krieges und Arjuna fragt sich, was genau er tun soll. Sein erster Instinkt ist, nichts zu tun. Krsna erklärt geduldig, dass dies keine Option sei, und legt Arjuna durch jatidharma (Arjunas Verantwortlichkeiten durch Geburt), kuladharma (Arjunas Verantwortlichkeiten gegenüber seiner Familie) und svadharma (Arjunas persönliche Verantwortlichkeiten) dar, warum dies der Fall sei. Arjuna ist ein Prinz und ein Krieger, und seine Aufgaben sind im kulturellen Kontext der Bhagavad Gita klar definiert.

Was sind unsere Verantwortlichkeiten, wer und was definiert sie im 21. Jahrhundert in unseren eigenen kulturellen Kontexten? Ich stelle dir diese Frage als ein moderne:r Yoga-Praktizierende:r, ein Sadhika/eine Sadhika[1]. Bringt das Praktizieren von Yoga in der modernen Welt eine gewisse Verantwortung mit sich? Ja. Ja, das tut es. Yoga ist eine Methode, mit der wir unsere wahre Natur erkennen uns uns so sehen können, wie wir wirklich sind (1:3 der Yoga Sutras von Patanjali). Wir wollen uns selbst besser verstehen, doch könnte dies als egoistisches Ziel empfunden werden. Es kommt darauf an, was wir dann mit diesem größeren Verständnis anfangen. Es kommt auf unser Handeln, unser Verhalten an.
Viele von uns beginnen unsere Praxis (unsere Kriya, unser Handeln), weil wir etwas wollen – wir wollen uns besser fühlen, besser aussehen, flexibler oder stärker werden. Wir glauben, dass wir etwas erreichen können, wenn wir etwas tun. Krsna lehrt in den Kapiteln drei und vier der Bhagavad Gita, dass es zu Unglück führt, wenn wir uns von dem motivieren lassen, was unser Handeln ergeben wird. Stattdessen sollten wir aufgrund unserer Verantwortung handeln, ohne daran zu denken, was wir davon haben. Wir handeln, weil wir durch unser Handeln den Zustand des Universums verbessern. Das ist ein feiner und wichtiger Unterschied: Nicht das Ergebnis verbessert die kosmische Ordnung, sondern der Akt des Handelns, weil er in unserer Verantwortung liegt.

Damit sind wir wieder bei der Frage, was unsere Verantwortung ist. Beginnen wir mit dem obigen Vers. Krsna erinnert uns in diesem Vers, dass wir die Verantwortung haben, mit gutem Beispiel voranzugehen. Wir sind die śhreṣhṭhas, die Krsna beschreibt. Warum sind wir diese „besten, prächtigsten, hervorragendsten“[2]? Weil wir uns bemühen, uns so zu sehen, wie wir wirklich sind. Wenn wir der Patanjali-Methode folgen, um uns selbst zu sehen, werden wir Praktiken wie Nicht-Verletzen, Wahrhaftigkeit, nicht mehr Nehmen als wir brauchen, Sauberkeit usw. annehmen (2:30, 2:32 der Yoga Sutras von Patanjali). Wenn wir śhreṣhṭhas sind, wird der Rest (alle Anderen) folgen. Dieses Führungspotenzial bringt Verantwortung mit sich. Wir geben schnell Führungsverantwortung an Politiker:innen und diejenigen ab, die in Ämter gewählt wurden. Was wäre, wenn wir uns nicht hinter unserer eigenen Verantwortung verstecken, sondern aufstehen und zum Wohle aller handelten? Nehmen wir zum Beispiel den Klimawandel. Sollen wir darauf warten, dass unsere Regierungen und Institutionen einen Wandel herbeiführen, oder können wir schon jetzt kleine, sinnvolle Veränderungen vornehmen, die sich positiv auswirken werden? Denke daran, dass wir nicht erwarten oder verlangen, dass die positive Wirkung uns selbst zugute kommt, sondern dass wir so handeln, weil es unsere Verantwortung als Yoga-Praktizierende ist, dies zu tun. Ich bin nicht nur Veganerin, weil ich glaube, dass alle Lebewesen das gleiche Recht auf ein Leben haben, das nicht unterdrückt und missbraucht wird. Ich bin Veganerin, weil ich als Yogapraktizierende, die sich den Yamas verschrieben hat, die Verantwortung habe, mich in Übereinstimmung mit der Praxis von ahimsa pflanzlich zu ernähren.
Wir sind in unserem Leben zum Handeln verpflichtet. Das ist die Natur des Lebens. Unser Handeln bewirkt etwas. Es stärkt uns, Verantwortung zu übernehmen und die Standards zu setzen, die Krsna uns in diesem Vers vorschlägt. Wenn Handeln unvermeidlich ist, ist es dann nicht unsere Verantwortung als Menschen, die danach streben, das Beste in allen Wesen, die wahre Natur aller Wesen und in uns selbst zu sehen, und die sich unerschütterlich für die Freiheit einsetzen, alle Anderen durch das Beispiel, das wir geben, zu erheben und zu befreien?

“Zweifle nie daran, dass eine kleine Gruppe engagierter Menschen die Welt verändern kann. Tatsächlich ist dies die einzige Art und Weise, in der die Welt jemals verändert wurde.”
― Margaret Mead

[1] Sadhika feminine. Sadhaka masculine. https://www.yogapedia.com/definition/5741/sadhaka

[2] W. Sargeant. The Bhagavad Gita, New York: State University of New York Press, 2009, p178.

Teaching Tips

  • Lade die Praktizierenden ein, sich zu überlegen, welche Eigenschaften sie sich bei Führungspersönlichkeiten wünschen.
  • Sprich über die Bedeutung von Wahlen und freien und fairen Wahlen.
  • Spiele im Unterricht gesprochene Wortbeiträge von Bürgerrechts- oder Umweltaktivist:innen ab.
  • Erinnere die Praktizierenden an die Yamas und Niyamas.
  • Ermutige die Schüler:innen, die Verantwortung für ihre eigene Praxis zu übernehmen, indem du ihnen eine einfache Sequenz (z. B. Surya Namaskar) beibringst, die sie dann ohne deine Anleitung wiederholen.
  • Fordere die Schüler:innen heraus, indem du die Sequenz so gestaltest, dass ihr persönlicher Freiraum eingeschränkt wird, so dass sie beim Üben die Verantwortung für das Teilen des Raums übernehmen müssen.
  • Plane Partner:innenarbeit, damit die Schüler:innen lernen, sich gegenseitig körperlich zu unterstützen und Verantwortung für die gegenseitige Unterstützung zu übernehmen.